Digitale Künste in Schulen: Computerspiele

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Digitale Künste in Schulen: Computerspiele

17. Juli 2018

Gaming findet immer stärker Anerkennung als kulturelle und künstlerische Praxis – und seinen Weg in die Schulen. Doch dort gilt es nicht nur pädagogische Zwecke zu berücksichtigen, sondern einen Bezug zur Lebenswelt der Schüler*innen herzustellen. Ein Beitrag von Kristin Naujokat, Projektmanagerin bei Kreativpotentiale im Dialog.

Vor mehr als zehn Jahren nahm der Deutsche Kulturrat den Bundesverband der Entwickler von Computerspielen als Mitglied auf und erklärte das Medium Computerspiel zum Kulturgut. Digitale Spiele wurden dadurch als Kunstwerk eingestuft, gleichauf mit anderen audiovisuellen Medien wie Film oder aber Popmusik.

Diese Definition teilen junge Menschen unter 35 Jahren, die im Vergleich zu anderen Altersgruppen am meisten Zeit mit digitalen Spielen verbringen, jedoch nicht: In einer Studie des Rats für Kulturelle Bildung gaben Schüler*innen der 9. und 10. Klasse weiterführender Schulen an, was sie unter „Kultur“ verstehen und nannten vor allem hochkulturelle Künste wie Theater, Oper oder Malerei. Nur für einen schwindend kleinen Teil der befragten Jugendlichen gehören Video- und Computerspiele zur Kultur (Jugend/Kunst/Erfahrung. Horizonte 2015). Dabei spielen zwei Drittel der 12 bis 19-Jährigen in Deutschland täglich oder mehrmals wöchentlich ein digitales Spiel (JIM-Studie 2016).

Schokolade versus Broccoli

Seit einiger Zeit versuchen sich Schulen in der Integration von Lernspielen, sogenannten „serious games“, als medienpädagogische Strategie im Unterricht. Schüler*innen verlieren daran jedoch schnell die Lust: Sie merken, dass es sich bei dieser Form von Spielen um dieselben, ihnen aus Schule bekannten Inhalte dreht. Die meisten dieser Spiele machen keinen Spaß – man spricht in diesem Fall auch vom sogenannten „chocolated-covered broccoli“, ein sehr passend scheinender kulinarischer Vergleich. Das im Unterricht aufgegriffene Spiel wird relativ schnell als schokoliertes Gemüse erkannt: Wenn ich bereits bei Beginn des Spiels absehen kann, dass es zweckgebunden ist und ich den Lerneffekt gleich zu Beginn identifiziere, verliere ich als Spielende*r die Lust. Spiele spielen wir gerne, weil sie Spaß machen und uns herausfordern – die meisten Kinder lassen deshalb den Broccoli links liegen.

Zockende Lehrer*innen?

Für Lehrer*innen ist die Nutzung von Computerspielen als Ergänzung im Unterricht eine Herausforderung. Die wenigen, die Computerspiele in ihrem Unterricht nutzen, sind meist selbst Gaming-begeistert. Viele Pädagog*innen hielten hingegen noch nie eine Konsole in der Hand und haben deshalb Berührungsängste – ein wenig Erfahrung im Zocken ist Voraussetzung für den Einsatz im Unterricht. Alle Spiele auf dem Markt zu kennen ist jedoch laut Spielratgeber NRW nicht notwendig. Aufbauend auf der eigenen Spielbegeisterung der Lehrer*innen unterstützen Beratungsstellen in den Ländern bei der pädagogischen Anwendung von Spielen.

Spielerischer Umgang mit Regelsystemen

Dass Spiele als Ausdrucksmittel der digitalen Künste in Schulen zur Geltung kommen sollten, wird auch vermehrt in der Kulturellen Bildung vertreten. Die erfahrene Spieldesignerin und Psychologin Christiane Hütter verweist auf die Auseinandersetzung mit bestehenden Regelsystemen, welche durch das Spielen forciert werden. Spiele zeichnen sich durch Regeln aus, mit denen sich Spieler*in auseinandersetzen müssen. In Computerspielen ist es für das Vorankommen notwendig, aus den eigenen Fehlern zu lernen und somit die eigene Kreativität anzukurbeln – eine Kompetenz, die für ein Agieren in gesellschaftlichen Regelsystemen dringend benötigt wird. Woran es fehlt, sind entsprechende Didaktiken und konkrete Unterrichtsideen für die Schulen. Eine Dramenanalyse könnte von Schüler*innen zum Beispiel mittels eines Spiels durchgeführt werden. Anhand historisch orientierter Spiele könnten gesellschaftlich präsente Geschichtsbilder problematisiert werden. Wichtig scheint in jedem Fall als Kriterium zu sein, dass die Schüler*innen diese Spiele auch in ihrer Freizeit spielen würden. Ihre eigene Kulturpraxis bekommt damit in der Schule einen Stellenwert.

  • Kristin Naujokat

    Kristin Naujokat